Meine Geschichte in diesem Buch vom Papierfresserchen-Verlag:
Espresso mit Sahne
Hanna schaufelte sich in Windeseile den Kuchen in den Mund, löffelte die Sahnehaube weg und goss den Espresso hinterher, so als hätte sie Angst, jemand könnte ihr diese Köstlichkeiten wegnehmen.
Danach nahm sie wieder ihre gewohnte Haltung ein. Aber ein Lächeln spielte um ihre Lippen. Der Kuchen war gut. Und der Espresso und die Sahne. Man sah es an ihrer zufriedenen Miene.
Und an ihrem verschmierten Mund. Susi nahm eine Serviette und wischte Hanna den Mund ab.
„Meine Schwester ist wie ein kleines Kind“, sagte sie zu Heinz.„Ja, das ist sie wohl, sie lebt in ihrer eigenen Welt. Mich würde interessieren, ob es möglich ist, sie da rauszuholen, aber ich glaube das ist nicht durchführbar.“
„Nein, sie ist als geistig Behinderte geboren und wird als geistig Behinderte sterben“, antwortete Susi.
Während Heinz und Susi darüber nachdachten, dass sie unfähig waren, Hanna zu helfen, kam eine Musikkapelle ins Zelt. Trompeten schmetterten. Die Kapelle spielte ein Lied. Hanna veränderte
nichts an ihrer Haltung. Doch sie lächelte. Mit gesenktem Kopf fing sie an zu singen. „Von den blauen Bergen kommen wir.“ Die Worte kamen verzerrt aus ihrem Mund, waren kaum zu erkennen oder irgendwo zu zuzuordnen. Doch die Melodie, die sie sang, harmonierte mit der Musik. Und ihr Lächeln war bezaubernd, gelöst,wie das eines Menschen, der etwas Großartiges sieht, das nur ihm allein gehört.
„Sie hat ihr individuelles Leben, ganz tief in ihr ist etwas, das man ihre eigene Wahrheit nennen könnte“, sagte Susi, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.„Und sie hat eine unermessliche Freude an Kleinigkeiten, die wir gar nicht mehr wahrnehmen“, sagte Heinz und nahm Susis Hand. Beide lauschten andächtig dem fröhlichen Gesang von Hanna,der aus den Tiefen ihrer Seele kam.