Beate war klein und dünn. Ihre aschblonden strähnigen Haare fielen ihr bis zur Schulter. Ihr Nasenrücken war flach und hatte eine kleine Delle. Sie sah ausgezehrt und unglücklich aus. Ich überlegte mir, ob die Delle wohl durch einen Schlag entstanden war. Aber ich fragte sie nicht danach. Als ich Beate kennenlernte, versuchte sie aus ihrer Ehe auszubrechen, drohte ihrem Mann mit Scheidung. Ihr Mann war Metzger. Wenn er betrunken war, verfolgte er sie mit dem Fleischermesser. Betrunken war er fast täglich. Sie lebte mit ihrem Mann und den Kindern in nahezu asozialen Verhältnissen. Wir konnten uns nur treffen, wenn Beates Mann nicht zu Hause war. Er erlaubte ihr nicht, auszugehen oder Kontakt mit anderen Frauen zu haben. Eines Abends, als Beates Mann ausging, entschlossen wir uns dazu, in einer griechischen Wirtschaft zum Essen zu gehen. Als Beate danach nach Hause kam, fand sie ihren Mann auf dem Dachboden. Er hatte sich erhängt.
Beate hatte Angst vor dem Alleinsein in dem Haus, in dem es geschehen war. Angst davor, dass sie ihren Kindern keine gute Mutter sein würde. Immer noch Angst vor dem Mann, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte. Ich vermittelte Beate in die Gesprächsgruppe bei der Diakonie. Das half ihr, sie erzählte nach längerer Zeit, dass sie als Kind missbraucht worden war. Ich hoffte, Beate könne ihre Vergangenheit aufarbeiten. Aber sie konnte nicht darüber sprechen. Später hatte sie wieder einen Freund. Auch er trank und schlug sie. Nach einiger Zeit trennte sie sich von ihm. Ich dachte, das war ein Rückfall, aber nun hat sie sich getrennt. Sie wird es schaffen. Dem nächsten Trinker, dem sie begegnete, verfiel sie mit Haut und Haaren. Er nistete sich in ihrem Haus ein. Die Kinder nannten ihn widerwillig „Papa“, und Beate erzählte mir eifrig von einer glücklichen Beziehung. Sie ging nicht mehr mit mir aus und kam auch nicht in die Gesprächsgruppe. Eines Tages wollte sie von mir wissen, wo sie eine Arbeit bekommen könne. Ihr Freund saß zu Hause, trank und hatte keine Arbeit. Das Geld wurde knapp. Ich beschaffte ihr eine Stelle im Altenheim als Putzhilfe. Ihr Freund schien sich ein Beispiel daran zu nehmen. Kurz darauf fand auch er eine Arbeit. Natürlich musste Beate zu Hause sein, wenn er von der Arbeit kam. Wenn das nicht klappte, schlug er sie, wie Beate mir später erzählte. Trotzdem heiratete sie ihn. Ich war Trauzeugin. Am Hochzeitsabend war der neue Mann betrunken. Er blieb in der Wirtschaft, und Beate ging nach einem Streit alleine nach Hause. Danach kam sie nicht mehr pünktlich zum Arbeiten. Manchmal kam sie mit einem blauen Auge zur Arbeit und sagte, sie sei die Treppe heruntergefallen. Nach einiger Zeit gab sie die Tätigkeit als Putzfrau auf. Über längere Zeit hörte ich nichts mehr von ihr.
Eines Nachts klingelte das Telefon. „Darf ich mit den Kindern bei dir übernachten? Er schlägt mich, ich halte das nicht mehr aus“, sagte Beate. Ich nahm sie auf. Wir redeten ausgiebig über ihre Situation in dieser Nacht. Danach entschloss sich Beate, ihren Mann zu verlassen und in ein Frauenhaus zu gehen. Die Kinder kamen in Pflegefamilien.Später rief ihr Mann bei mir an. Er wollte von mir wissen, wo seine Frau sei. Ich sagte es ihm nicht. Er versuchte, mit mir anzubändeln. Ich schickte ihn weg.
Er sah, bei mir konnte er nichts erreichen. Beate war für ein paar Wochen im Frauenhaus. Dort suchten sie eine Arbeitsstelle in einem entfernten Ort, suchten eine Wohnung für sie und ihre Kinder. Ich dachte, Beate fange neu an, und wenn es ihr besser ginge, würde sie sich bei mir melden.Später rief ihr Mann bei mir an. Er sagte, Beate komme bald wieder nach Hause, es solle alles gut werden. Er werde sich bessern. Er war betrunken. Jemand aus der Gesprächsgruppe sagte mir, wo die Grenzen einer Freundschaft sind. Ich erkannte, ich konnte Beate nicht helfen. Ich musste und durfte auch an mich denken. Eine gute Freundschaft erfordert einen Austausch auf Gegenseitigkeit, der hier nicht möglich war. Die Annäherungsversuche und das Verhalten von Beates Mann ihr gegenüber hatten bei mir die Gewissheit hinterlassen, dass er seine Beziehung nicht respektierte, mit den Frauen spielte und sie als minderwertig ansah. Körperliche Überlegenheit ist kein Freibrief.
Ihren Mann fand ich viele Jahre danach auf einem Portal im Internet wieder. Es gab dort ein kleinformatiges Foto von Beate, auf dem sie im Wohnzimmer auf der Couch saß. Winzig und unscheinbar. Fast nicht zu erkennen. Ein Abbild ihres eigenen Lebens. Der Mann hatte ein großes Porträtbild von sich eingestellt. Er teilte mir seine Telefonnummer mit. Ich solle seine Frau anrufen, hat er geschrieben. Ich tat es nicht.
Beate hatte Angst vor dem Alleinsein in dem Haus, in dem es geschehen war. Angst davor, dass sie ihren Kindern keine gute Mutter sein würde. Immer noch Angst vor dem Mann, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte. Ich vermittelte Beate in die Gesprächsgruppe bei der Diakonie. Das half ihr, sie erzählte nach längerer Zeit, dass sie als Kind missbraucht worden war. Ich hoffte, Beate könne ihre Vergangenheit aufarbeiten. Aber sie konnte nicht darüber sprechen. Später hatte sie wieder einen Freund. Auch er trank und schlug sie. Nach einiger Zeit trennte sie sich von ihm. Ich dachte, das war ein Rückfall, aber nun hat sie sich getrennt. Sie wird es schaffen. Dem nächsten Trinker, dem sie begegnete, verfiel sie mit Haut und Haaren. Er nistete sich in ihrem Haus ein. Die Kinder nannten ihn widerwillig „Papa“, und Beate erzählte mir eifrig von einer glücklichen Beziehung. Sie ging nicht mehr mit mir aus und kam auch nicht in die Gesprächsgruppe. Eines Tages wollte sie von mir wissen, wo sie eine Arbeit bekommen könne. Ihr Freund saß zu Hause, trank und hatte keine Arbeit. Das Geld wurde knapp. Ich beschaffte ihr eine Stelle im Altenheim als Putzhilfe. Ihr Freund schien sich ein Beispiel daran zu nehmen. Kurz darauf fand auch er eine Arbeit. Natürlich musste Beate zu Hause sein, wenn er von der Arbeit kam. Wenn das nicht klappte, schlug er sie, wie Beate mir später erzählte. Trotzdem heiratete sie ihn. Ich war Trauzeugin. Am Hochzeitsabend war der neue Mann betrunken. Er blieb in der Wirtschaft, und Beate ging nach einem Streit alleine nach Hause. Danach kam sie nicht mehr pünktlich zum Arbeiten. Manchmal kam sie mit einem blauen Auge zur Arbeit und sagte, sie sei die Treppe heruntergefallen. Nach einiger Zeit gab sie die Tätigkeit als Putzfrau auf. Über längere Zeit hörte ich nichts mehr von ihr.
Eines Nachts klingelte das Telefon. „Darf ich mit den Kindern bei dir übernachten? Er schlägt mich, ich halte das nicht mehr aus“, sagte Beate. Ich nahm sie auf. Wir redeten ausgiebig über ihre Situation in dieser Nacht. Danach entschloss sich Beate, ihren Mann zu verlassen und in ein Frauenhaus zu gehen. Die Kinder kamen in Pflegefamilien.Später rief ihr Mann bei mir an. Er wollte von mir wissen, wo seine Frau sei. Ich sagte es ihm nicht. Er versuchte, mit mir anzubändeln. Ich schickte ihn weg.
Er sah, bei mir konnte er nichts erreichen. Beate war für ein paar Wochen im Frauenhaus. Dort suchten sie eine Arbeitsstelle in einem entfernten Ort, suchten eine Wohnung für sie und ihre Kinder. Ich dachte, Beate fange neu an, und wenn es ihr besser ginge, würde sie sich bei mir melden.Später rief ihr Mann bei mir an. Er sagte, Beate komme bald wieder nach Hause, es solle alles gut werden. Er werde sich bessern. Er war betrunken. Jemand aus der Gesprächsgruppe sagte mir, wo die Grenzen einer Freundschaft sind. Ich erkannte, ich konnte Beate nicht helfen. Ich musste und durfte auch an mich denken. Eine gute Freundschaft erfordert einen Austausch auf Gegenseitigkeit, der hier nicht möglich war. Die Annäherungsversuche und das Verhalten von Beates Mann ihr gegenüber hatten bei mir die Gewissheit hinterlassen, dass er seine Beziehung nicht respektierte, mit den Frauen spielte und sie als minderwertig ansah. Körperliche Überlegenheit ist kein Freibrief.
Ihren Mann fand ich viele Jahre danach auf einem Portal im Internet wieder. Es gab dort ein kleinformatiges Foto von Beate, auf dem sie im Wohnzimmer auf der Couch saß. Winzig und unscheinbar. Fast nicht zu erkennen. Ein Abbild ihres eigenen Lebens. Der Mann hatte ein großes Porträtbild von sich eingestellt. Er teilte mir seine Telefonnummer mit. Ich solle seine Frau anrufen, hat er geschrieben. Ich tat es nicht.
Einige Monate danach sah ich auf diesem Portal, der Mann hatte seinen Personenstand geändert und die Fotos seiner Frau gelöscht. Daneben stand eine Kontaktanzeige: Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen, in der Gegenwart leben. „Ich bin ein einsamer Witwer, 55 Jahre alt und wohne alleine in einem großen, neu renovierten Haus. Ich warte nicht gerne. Schon gar nicht auf Zufälle. Suche eine Frau, die mich so nimmt wie ich bin.“
Manchmal fragte ich mich, wie oder woran Beate gestorben war. Oder ob es ein Fehler war, sie nicht anzurufen. Aber ich wusste, ich konnte ihr nicht helfen.
Manchmal fragte ich mich, wie oder woran Beate gestorben war. Oder ob es ein Fehler war, sie nicht anzurufen. Aber ich wusste, ich konnte ihr nicht helfen.
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